Dienstag, 5. November 2013

Der versteckte Berg


Aus dem Nebel taucht der Geruch von Herdfeuer auf. Endlich eine Ahnung von Wärme und Menschlichkeit. Eine Stunde sind wir im Blindflug durch tiefen Schnee gestapft. Abwärts. Der Berg hat uns keine Chance gegeben.
Im gelben Schnee sind Yakspuren zu sehen. Matsch und Schmutz überall, dann sind endlich die Unterkünfte der Hirten zu sehen. Schiefe Steinhäuser, kaum hoch genug, um aufrecht hineingehen zu können. Wohnlich ist etwas anderes, und doch ist es beruhigend, wieder ein Zeichen der Zivilisation zu sehen. Wir wollen es endlich warm und trocken, doch das wird noch eine Weile dauern.
Der Lama kommt aus der Holztür. Er erinnert sich noch an uns. Er hat seine Gebete im Basecamp Richtung Himmel geschickt. Jetzt fragt er uns, ob sie denn angekommen sind. Nein, und den Berg haben wir nicht einmal gesehen. Es ist ein versteckter Berg. Hinter dem letzten der vielen Vorgipfel hätte er sich gezeigt. Wenn es die Wolken zugelassen hätten. Aber dort mussten wir umkehren. Zu viel Schnee, zu gefährlich. Die letzte Nacht auf 6000m in der Enge des Hochlagerzeltes. Kalt und unfreundlich. Doch voller Ruhe in der endlosen Einsamkeit. Nur wir zwei.



Wir gehen weiter Richtung Tal. Der Nebel verkriecht sich, es fängt an zu regnen. Wir lassen die Steinbehausungen hinter uns, die leeren Hütten, die so wenig einladend sind, und doch irgendwie bewohnt. Unvorstellbar trist. 8 Stunden sind es bis nach Meta. In unser Zimmer regnet es hinein, doch die Familie bittet uns in die Küche ans Feuer. Es wird Dhal Bat und Yakfleisch gekocht. Der Raum ist voller Leute. Wir schauen nur und wundern uns, wo sie alle herkommen aus dem Nichts. Abendunterhaltung, und wir als Statisten.
Am nächsten Tag geht es dann weiter auf die Annapurnarunde. Komfortable Lodges, warme Duschen, Bier und Internet.






Mittwoch, 30. Oktober 2013

Am Anfang oder Ende der Welt







Auf der Landkarte sind in Puhgoan drei Lodges eingezeichnet. Die Häuser aus Stein sind terrassenförmig in den Hang gebaut-entgegen der Schwerkraft. Einige Türen sind blitzblau oder altrosa. Die meisten hängen nur mit Tierhaut zusammengehalten im Rahmen. Nägel scheint man hier nicht zu kennen. Bloß die kleinen Solarpaneele auf jedem Flachdach bringen mich zurück ins zwanzigste Jahrhundert.
Eine der bunten Türen öffnet sich. Ein verrotzter Junge grinst uns breit an und seine Mutter bittet uns weiter. "Shop"? Frage ich vorsichtig. Ein Lächeln und wir sitzen mit der Familie im Wohnraum, auf dem Lehmboden um die offene Feuerstelle. Wir bestellen Bier und Zigaretten. Gebrochenes englisch. Gastfreundschaft. Das schmutzige Kind spielt im speckigen Schein des Feuers mit einer noch schmutzigeren Puppe.



Rauch füllt die Luft um den kleinen Steinalter. Der Lama murmelt unverständliche Worte, liest unentzifferbare Zeichen aus einem abgegriffenen Buch. Der Berg soll uns freundlich gesinnt sein.

Der Berg mag uns nicht. Drei Tote Sherpas müssen geborgen werden. Lawine. Die zwei Nachbarexpeditionen packen. Keine Träger, kein Glück. Doch wir versuchen unseres in den Lawinenhängen.
"Wum" und ich bleibe stehen Leo sieht den Riss in der Schneedecke. Zurück. Wir sind allein auf etwa 6200m. Soviel Kraft bis hierher. Spur voraus, bis zu den Knien. Die Rucksäcke mit dem Hausrat größer als die Menschen, die sie tragen.


Donnerstag, 19. September 2013

HIMLUNG HIMAL - NEPAL



Ja, wir werden bestimmt ein paar schöne Herbsttage verpassen! Die schönste Zeit, wenn man noch über braune Almen laufen kann, die schon einsam auf den Winter warten. Und die eine oder andere Klettertour im warmen Fels in Arco wird sich auch nicht mehr ausgehen. Das bunte Laub wird im trüben Novemberregen am Boden liegen, wenn wir wieder zurückkommen.
ABER: Dafür können wir uns jetzt das monsunschwere Kathmandu geben, die stickige Hitze in der verwinkelten Stadt. Im Thamel zwischen hupenden Autos und Motorrädern im Menschengewimmel herumstolpern und dann, wenn wir von der lauten staubigen Stadt genug haben aufbrechen in die eisige Kälte. Unterwegs einen salzigen Yakbuttertee trinken und hoffen, dass es einem nicht den Magen umdreht. In entlegenen Klöstern dem Gemurmel der Mönche lauschen und sich bei der Puja von verbrennenden Thujenbuschen einräuchern lassen, bevor man dann mit den Sherpas einen Whiskey trinkt - auf dass es gelingen mag, und uns die Götter gut gesinnt sind. Danach im kleinen Zelt zwischen Rucksack, schweren Bergstiefeln und Daunenjacken auf 6000m eine köstliche Instantsuppe löffeln und in den Schlafsack kriechen, sobald die letzten Sonnenstrahlen hinter den Bergrücken verschwinden.
Namaste!